Wenn nicht nur der Sportgedanke zählt

Interview mit Elmar Schlosser
Elmar Schlösser ist 49 Jahre alt, hat drei große Kinder und arbeitet im Sozialdienst Katholischer Frauen. Er wohnt in den Niederlanden, arbeitet aber in Deutschland und überquert jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit eine Landgrenze.

2013 wurde bei ihm Multiple Sklerose festgestellt. Das hält ihn aber nicht davon ab, seiner größten Passion nachzugehen – dem Sport. In unserem Interview erzählt er, was ihn antreibt und wieso er so gerne bei Halbmarathons mitläuft.

Herr Schlösser, wie hat sich die MS bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Die ersten Symptome kamen 2005. Da bekam ich die sogenannte Uveitis intermedia, eine Augenentzündung. Dies konnte man zur damaligen Zeit noch nicht der MS zuordnen, weil unterschiedlichste Ursachen dazu führen können. 2009 kamen dann Lähmungen in meinen Fingern dazu – das sogenannte Sulus ulnaris-Syndrom. Dieses Syndrom kann man aber auch beim Cabrio fahren bekommen, sodass immer noch keine MS festgestellt werden konnte. 2013 kamen dann tatsächlich Doppelbilder und Lähmung des Sehnervs dazu und damit ein Krankenhausaufenthalt, bei dem dann meine Nervenflüssigkeit untersucht wurde. Dabei ist die MS offiziell das erste Mal diagnostiziert worden. Meine Symptome sind Gleichgewichtsstörungen, Muskelschmerzen und Fatigue. 

Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen? Haben Sie mit Ihrer Familie darüber geredet?

Als ich die Diagnose bekommen habe, hat mich das im ersten Moment ehrlich gesagt ziemlich geschockt. Ich habe mit meiner Familie darüber gesprochen, das heißt mit meiner Frau und den Kindern, die damals noch etwas kleiner waren. Wir gehen mit solchen Dingen ganz offen um. Grundsätzlich ist Krankheit bei uns in der Familie ein sehr schwieriges Thema. Denn bis 2013 war ich, medizinisch betrachtet, der Fels in der Brandung, da meine Frau seit 24 Jahren hochgradiges Rheuma hat und schon lange berentet ist. Wir sind jetzt seit über 25 Jahren verheiratet und haben schon eine gewisse Übung darin, den Alltag trotz aller Hürden gemeinsam zu meistern. Und ich finde wir machen das verdammt gut.

Haben Sie das Thema MS offen auf der Arbeit angesprochen? Falls ja, wie haben Ihre Kollegen darauf reagiert?

Ich spreche das Thema oft offen an und erlebe dann immer, dass es oft sehr still wird. Es wird nichts wirklich ausgesprochen, aber sie trauen sich nicht wirklich, nachzufragen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich ganz normal durch die Gegend laufe und konditionell ganz fit bin, sodass mir viele die MS gar nicht ansehen. Auch die Uveitis, die ich immer in beiden Augen habe, bekommt keiner so wirklich mit.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Halbmarathon zu laufen? Sind Sie vor der Diagnose schon viel gelaufen?

Die Idee kam 2005, als ich die Alpen bei einer Wanderung überquerte. Dabei habe ich festgestellt, dass ich keine Kondition habe und beschloss, etwas daran zu ändern – seitdem laufe ich. Ich trainiere drei- bis viermal die Woche und laufe jedes Jahr ein oder zwei Halbmarathons. Manchmal laufe ich auch die 11 km von der Arbeit nach Hause. Ich empfinde den Weg als sehr befreiend, weil ich die Arbeit hinter mir lassen kann – ich laufe mich einfach frei. Auch wenn ich durch die MS langsamer geworden bin als früher.

Gibt es etwas, was Sie anderen MS-Betroffenen auf den Weg geben wollen?

Sport ist für mich persönlich was ganz Tolles und Gutes und ich hoffe, dass er auch anderen weiterhelfen kann, auch wenn man vielleicht erstmal herausfinden muss, welche Sportart am besten für einen geeignet ist. Das muss nicht Laufen sein, sondern kann alles Mögliche sein. Hauptsache es macht Spaß. Mit Sport gelingt es mir, den Alltag ein Stück weit hinter mir zu lassen, den Kopf freizukriegen und das Gefühl zu bekommen, etwas geschafft zu haben. Ich setze mir oft ein Ziel vor Augen – das Gefühl, dieses zu erreichen ist unbeschreiblich und macht mich zufrieden und glücklich. Auch wenn es regnet und stürmt, ziehe ich meine Laufsachen an und gehe raus – das gehört zu mir.