Dem Geheimnis der Fatigue auf der Spur

Dem Geheimnis der Fatigue auf der Spur
BOSTON (Biermann) – Bis zu 60 Prozent der Menschen mit Multipler Sklerose (MS) sind von Fatigue betroffen und fühlen sich davon deutlich beeinträchtigt. Doch trotz der Häufigkeit des Symptoms bleibt die chronische Erschöpfung ein medizinisches Rätsel, denn ihre Ursachen sind weiterhin unklar.

Wissenschaftler des Brigham and Women's Hospitals in Boston, USA, haben nun allerdings Hinweise darauf gefunden, dass Entzündungsprozesse in bestimmten Hirnbereichen dafür verantwortlich sein könnten.

Wie die Wissenschaftler berichten, hatten sie mithilfe der Positronen-Emissions-Technologie (PET) nach Immunzellen des Gehirns gesucht, die bei MS fälschlicherweise aktiviert werden und zu der Erschöpfung führen könnten. 

Die Fatigue korreliere nur wenig mit den herkömmlichen Markern der MS, beispielsweise den Hirnläsionen, die wir in der Magnetresonanztomographie (MRT) sehen, erklärte Dr. Tarun Singhal, Neurologe und Nuklearmediziner am Ann-Romney-Center für neurologische Erkrankungen am Brigham and Women's Hospital. Daher machten sich die Forscher auf die Suche nach einer verborgenen Pathologie – etwas, das im Zusammenhang mit der Fatigue bei MS bisher unentdeckt geblieben ist.

Dazu verwendeten Singhal und seine Kollegen eine Markierungssubstanz (sog. Tracer), die nach der Injektion zum Gehirn wandert und dort an abnormal aktivierte Immunzellen bindet. Da der Tracer Gammastrahlen aussendet, können die betroffenen Gehirnbereiche von einem Scanner dargestellt werden.

Solche PET-Scans führten die Forscher bei zwölf Personen mit MS und zehn Kontrollpersonen ohne MS durch und fanden dabei starke Korrelationen zwischen den von MS-Betroffenen selbst angegebenen Fatigue-Werten und der Aktivierung von Immunzellen in bestimmten Regionen des Gehirns. Zu diesen gehörte die sogenannte Substantia nigra, ein Gehirnbereich, in dem der Botenstoff Dopamin produziert wird. Dopamin übernimmt im Körper viele wichtige Rollen und wird unter anderem für die Stimulation von Aufmerksamkeits- und Wachheitsmustern im Gehirn benötigt. Auch andere Hirnregionen korrelierten signifikant mit den Fatigue-Scores. Zu den „klassischen“ MS-Markern Hirnatrophie und Läsionsbelastung der MS-Betroffenen bestand jedoch kein Zusammenhang.

Auf diese Weise hätten sie ein weit verbreitetes Netzwerk von sehr spezifischen Gehirnregionen entdeckt, deren Entzündungsprozesse mit den Fatigue-Scores der Teilnehmer korrelierten und die alle Auswirkungen auf die Fatigue zu haben schienen, erklärte Singhal. Da ihre Studie aber nur wenige Teilnehmer umfasst habe, seien nun weitere Untersuchungen notwendig, um die Ergebnisse in einer größeren Stichprobengröße zu bestätigen und die Wechselwirkungen zwischen chemischen und entzündlichen Prozessen im Gehirn zu erforschen.

Quelle: Brigham and Women's Hospital, Pressemitteilung vom 26. August 2020; 

Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2020 Aug 7;7(5):e854.

Tipp: MS Betroffene diskutieren im Aktiv mit MS Forum über das Thema extreme Müdigkeit: 
www.aktiv-mit-ms.at/forum